Das Hinweisgeber*innenschutzgesetz basiert auf der EU-Whistleblowing-Richtlinie und wird voraussichtlich noch heuer in Kraft treten. Was es beinhaltet, worauf heimische Unternehmen sich vorbereiten müssen und wann es nun tatsächlich umgesetzt wird – Expertin Dr.in Katharina Körber-Risak von Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH hat uns sachdienliche Hinweise gegeben.
Schon im November des vergangenen Jahres hätte es in Österreich umgesetzt werden sollen, voraussichtlich wird es im Herbst im Nationalrat beschlossen. Die Rede ist vom Hinweisgeber*innenschutzgesetz (kurz HSchG). Dabei handelt es sich um die österreichische Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtline mit dem Ziel Hinweisgeber*innen vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen.
Missstände ans Tageslicht bringen
„Man erhofft sich von diesem Gesetz, dass in Österreich Missstände zukünftig häufiger ans Tageslicht kommen und schneller aufgeklärt werden können“, erklärt die Wiener Arbeitsrechtsexpertin Dr.in Katharina Körber-Risak. Das neue Gesetz wird künftig Unternehmen und öffentliche Organisationen ab 50 Mitarbeiter*innen in die Pflicht nehmen. Es gilt einen Kanal einzurichten, über den Hinweise zu bestimmten Themen anonym eingereicht werden können.
Die Anonymität muss zu jeder Zeit gewahrt sein
Wie der Informationskanal gestaltet werden muss, lässt das Gesetz offen: „Theoretisch könnte man auch eine Box aufstellen, wo Zettel eingeworfen werden können, sofern dabei immer der Schutz der Hinweisgeber gewährleistet ist.“ In der Praxis rät die Expertin jedoch zu webbasierten Lösungen, die es bereits am Markt gibt: „Elektronische Anwendungen sind definitiv vorzuziehen, denn wenn der Hinweis eingelangt ist, müssen Informanten auch über den Status der Bearbeitung und über weitere Schritte informiert werden, wobei Anonymität und Vertraulichkeit stets gewährleistet sein müssen.“
Gut zu wissen!
Das HSchG umfasst ausgewählte Bereiche des Unionsrechts, dazu gehören:
- Öffentliches Auftragswesen
- Finanzdienstleistungen
- Geldwäsche und Terrorismus
- Produktsicherheit
- Verkehrssicherheit
- Umweltschutz
- Strahlenschutz
- Lebensmittelsicherheit
- Öffentliche Gesundheit
- Verbraucherschutz
- Datenschutz
Arbeitsrechtliche Belange sind nicht Bestandteil
Ausdrücklich nicht im Rahmen des Whistleblowing-Gesetzes behandelt werden arbeitsrechtliche Belange wie Diskriminierung oder sexuelle Belästigung. Und genau hier besteht eine der Hürden in der Praxis, wie Dr.in Katharina Körber-Risak betont: „Da nur diese ausgewählten Public-Interest-Themen erfasst sind, müssten Arbeitnehmer*innen eine sehr genaue Kenntnis darüber haben, welche Missstände und Vergehen sie über das unternehmensinterne Whistleblowing-System überhaupt melden dürfen. Das setzt im Grunde schon juristische Vorkenntnisse voraus und das geht völlig an der Realität vorbei.“ Und weiter: „Wenn Mitarbeitende Angst haben müssen, dass das, was sie melden, vielleicht nicht in den Scope des Hinweisgeber*innenschutzgesetzes fällt und ihre Identität dadurch vielleicht doch ans Tageslicht kommt, gefährdet das die Sinnhaftigkeit des Systems.“
Wer mehr tut, als das Gesetz fordert, ist gut beraten
Insofern sind Unternehmen gut beraten, mehr zu tun, als nur die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten: „Im Idealfall wird ein elektronisches, webbasiertes System eingeführt, über das generell Compliance-Verstöße, also auch arbeitsrechtlich relevante, gemeldet werden können.“
„In einem Unternehmen kann immer jemand Mist bauen.“
~ Dr.in Katharina Körber-Risak
Während viele große Unternehmen und internationale Konzerne mit Niederlassungen in Österreich bereits Whistleblowing-Systeme implementiert haben, bringt das neue Gesetz vor allem mittelständische Unternehmen in Zugzwang. Ihnen rät Dr.in Körber-Risak, das System im Sinne der Früherkennung von Missständen zu nutzen. „Ab einer gewissen Unternehmensgröße sind Compliance-Verstöße fast schon systemimmanent. Irgendjemand kann immer Mist bauen. Je früher Probleme an die Tagesordnung kommen, desto leichter sind sie lösbar. In diesem Sinn kommt das Whistleblowing-System jedem Unternehmen zugute.“
Sanktionen bei Nichteinhaltung sind aktuell nicht zu fürchten
Verzichten Unternehmen darauf ein Meldesystem einzurichten, drohen laut dem Österreichischen Entwurf für das Hinweisgeber*innenschutzgesetz übrigens keine Sanktionen. „Stattdessen führen die Erläuterungen zum Entwurf an, dass das HSchG als Alternative zur Strafandrohung auf Motivation baut. Unternehmen sollen also die Vorteile sehen, die eine interne Meldestelle mit sich bringt und sie deshalb errichten“, erklärt Katharina Körber-Risak.
Nationalratsbeschluss voraussichtlich im Herbst
Wann genau das Hinweisgeber*innenschutzgesetz im Nationalrat beschlossen wird, ist derzeit noch unklar: „Ich gehe davon aus, dass das noch heuer, im Herbst 2022, passieren wird.“ In Kraft tritt die neue gesetzliche Regelung einen Tag nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt. Die anonymen Whistleblowing-Kanäle sind anschließend binnen sechs Monaten einzuführen, Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden dürfen sich bis 18. Dezember 2023 Zeit lassen.
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